Genuss – mehr als eine kulinarische Gaumenfreude

Kürzlich bin ich gefragt worden, was für mich Genuss bedeutet. Es gibt ein allgemeines Verständnis darüber was kulinarischer Genuss ist. Gaumenfreuden sind  exzellent zubereitete Gerichte voller Aromatik, verschiedenen Texturen, einem köstlichen Geruch und einem appetitlichen Aussehen. Aber reicht das zum Genuss? Was ist mit dem Ambiente? Der Zeit? Der Muße? Die Vorstellung einen halben Hummer mit etwas Weißwein-Espuma genussvoll “on the go” zu essen ist wahrlich schwer vorstellbar. Mit Plastikbesteck und vom Pappteller, wird es noch weniger ansehnlich. Aber auch am Arbeitsplatz, parallel zum Email beantworten und Social Media Konsum, lässt es sich wahrlich nicht genießen. Genuss braucht Zeit, Ambiente und Muße. Der Genuss will Raum und Zeit haben, er will geschmeckt, gefühlt, gerochen, gesehen und gehört werden. Genuss ist das klirren feinster Kristallgläser beim Anstoßen. Genuss ist der warme Kerzenschein bei Tisch. Genuss ist der Geruch von frisch gebrühten Kaffee. Genuss ist die warme Porzellantasse in der Hand. Genuss ist der erste Biss in ein lauwarmes Croissant.

Reicht das zum Genuss? Was ist mit der Herkunft der Speisen? Dem Anbau? Der Haltung? Der Verarbeitung? Kann ich genießen, wenn ich weiß, was bei mir auf dem Teller liegt wurde mit Pestiziden behandelt, mit Hormonen gefüttert und hat nie die Sonne gesehen. Zum Genuss gehört auch Verantwortung, für das was ich mir zuführe. Du bist was du isst, bedeutetet ein Bewusstsein für den Wert der Nahrung zu haben, zu wissen wie sie produziert und verarbeitet wurde. Liebe kann man schmecken, wenn das was man isst mit Respekt und Achtung vor dem Produkt hergestellt wurde. 

Dem Genuss so nah. Dabei sollte ich mich selber nicht vergessen. Nur was Leib und Seele wahrhaft nährt taugt zum absoluten Genuss. Das bedeutet, auf sich und seinen Körper zu hören, Hunger zu spüren und sich vom Appetit leiten zu lassen, was es gerade braucht. Frische, naturbelassene Produkte, die schonend zubereitet wurden, schenken Vitalität und Lebenskraft. 

What else? Geselligkeit und Wärme, damit der Genuss am Tisch einkehren mag. Nirgends gesellt sich der Genuss lieber dazu, als in einer illustren Runde mit Familien, Freunde oder Fremden. Ein einfaches Mahl, kann zum größten Genuss werden, wenn es mit den richtigen Leuten zusammen eingenommen wird. Wahrlich entsteht Genuss wenn man ihn mit anderen zusammen genießt.

Quality Time – Mein Hier & Jetzt

Ich kehre gerade von einem Spaziergang mit dem Hund zurück. Es ist November, nebelig, kalt und halb zehn abends. Es gibt schöneres als zu dieser Zeit mit dem Hund nochmal rausgehen zu müssen. Habe ich mir auch gedacht, als ich da eben noch so gemütlich auf der Couch saß. Aber dann passiert das Wunder. Ich gehe raus, denke mir, nur ein schneller Spaziergang zur Wiese gegenüber dem Hause und dann gleich wieder zurück ins Warme. Und irgendwo zwischen dem 51ten und 68ten Schritt nach verlassen der Haustür, geschieht dieses Wunder. Ich freue mich draußen zu sein. Genieße das raschelnde Laub unter den Füßen, die klare kühle Luft, meine warme Jacke. Spüre die kalte Nase. Beobachte wie der Hund freudig über die Wiese tollt, als gebe es nichts besseres zu dieser Zeit an diesem Ort zu sein. Der Hund ist im hier & jetzt. Und wenn das Wunder geschieht, dann bin ich es auch. Das ist Quality Time, me time, meine kleine Auszeit. Und in diesem Moment bleiben meine Gedanken kurz stehen. Ich vergesse, was gerade war und gleich sein wird. Dankbarkeit für meinen kleinen Vierbeiner kommt auf, dass er mir immer wieder dieses kleine Wunder des im hier & jetzt sein möglich macht.

Was macht das hier & jetzt so besonders? Für mich ist es Hingabe. Wenn ich den Dingen erlaube zu sein wie sie sind, Teil werde und Verbundenheit spüre. Wunderschön sind diese Momente, wenn man sie mit jemanden teilen darf. Dann ist das so als hat jemand die Zeit angehalten. Es gibt nur uns.

Wer das Erleben will muss die Gedanken ruhen lassen und anfangen zu spüren, zu fühlen und anzunehmen was ist. Das ist nicht immer einfach. Aber es ist es wert.

Der Ort an dem Menschen glücklich sind

Es gibt Menschen, die sind schwer von Schicksalsschlägen gezeichnet. Dennoch strahlen sie voller Freude und Lebensmut. Sie lachen viel, lieben ihr Leben, genießen es in vollen Zügen.

Andere Menschen haben augenscheinlich alles was es zu einem guten Leben braucht: Gesundheit, Wohlstand, Ruhm und Anerkennung. Einige von ihnen sind todunglücklich. Einige von ihnen werfen dieses Leben weg, weil sie nicht mehr auf dieser Welt sein wollen.

Warum ist das so? Warum macht etwas so Erstrebenswertes wie Gesundheit, Schönheit, Erfolg, Wohlstand und Ruhm nicht zwangsläufig glücklich? Einer der bekanntesten Glücksforscher ist David M. Buss. In seinen Studien kommt er zu dem Schluss, dass der Mensch vor allem zwei Dinge braucht um glücklich zu sein:

  1. er will verortet sein
  2. er will vernetzt sein

Der Mensch sei dafür gemacht in kleinen festen Gruppen zu leben. So 50 bis 200 Personen wären ideal um ein Gefühl der Sicherheit und  Geborgenheit aufkommen zu lassen. Millionenstädte, rasant voranschreitende Techniken und schier unüberschaubare Informationsströme, überfordern den Menschen. Wenngleich es auch menschengetriebene Entwicklungen sind, die Mehrheit von ihnen ist damit überfordert. Wer es aber schafft, sich die lockeren und engen sozialen Bindungen, die in kleinen Gruppen mit der Zeit wie von selbst entstehen, aufzubauen, der hält einen wertvollen Schlüssel zum Glück in den Händen. Je größer Gruppen werden, desto weniger zählt der Einzelne. Die Vielfalt, welche die Globalisierung mit sich bringt, große Städte voller Angebote, Konzerne mit vielfältigen Karrierechancen, locken mit schier unendlichen Möglichkeiten der Entfaltung. Doch mit der Möglichkeit geht auch die Qual der Wahl einher und das Gefühl etwas noch Besseres zu verpassen, sobald ich mich festlege. Also geht die Suche weiter, nach der lebenswerteren Stadt, dem besserbezahlten Job, dem besseren Partner. 

Je mehr Menschen, desto unbedeutender der Einzelne (Menschenmasse, Anonymität, Allein unter Vielen)
Wenn aus ‘viel’ beliebig wird, wird aus der Wahl die Qual

“Wenn Wohlbefinden davon abhängig ist, tiefe intime Bindungen zu haben und ein wertgeschätztes Mitglied einer Gruppe zu sein, dann sind die Bedingungen des modernen Lebens geradezu prädestiniert dafür, menschliches Glück zu verhindern.”

David Buss, Evolutionspsychologe

Wenn das Glück also nicht in den Superlativen unserer Gesellschaft zu finden ist, wie schaffe ich es mir da eine Schutzhütte zubauen, die mich vor der “besser, höher, weiter” unser Leistungsgesellschaft bewahrt? Die glücklichsten Menschen gehen häufig in die Natur und verbringen viel Zeit mit Familie und Freunden. Rausgehen und soziale Bindungen, klingt einfach, ist es aber nicht. Der berufstätige Großstädter, die Vorstadtpendlerin, der unverortete digitale Nomade, sie alle müssen sich gezielt Orte der Begegnung suchen, kleine Ruhe-Oasen der Erholung und Momente der Achtsamkeit. Denn der Weg zum großen Glück führt über die kleinen Freuden des Alltags. Macht euch auf die Suche. Lernt Nachbarn kennen. Geht an der frischen Luft spazieren. Lächelt der Kassiererin zu. 

500 Freunde und einsam

Entgrenzung, Globalisierung, Nomadentum… die Lebens- und Arbeitswelten von heute sind von zunehmender Mobilität geprägt. Wir genießen die Möglichkeit überall auf dem Globus zu Hause zu sein, Kunden und Geschäftspartner auf der ganzen Welt zu haben und auf jedem Kontinent mindestens ein paar Facebook-Kontakte. Doch ist die Welt wirklich ein zuhause? Sind meine Facebook-Kontakte Freunde? Wer ehrlich mit sich ist, wird zumindest zustimmen, dass er sich dann und wann auf dieser entgrenzten Welt einsam gefühlt hat. Einsam, obwohl er 517 Facebook-Kontakte hat und jeden Tag mehr als 30 Emails bekommt. Wenn ich 8 Stunden am Tag beruflich am Rechner sitze, 2 Stunden privat im Internet surfe, 2 Stunden pro Tag pendle, 1 Stunde esse, 1 Stunde für Duschen und Umziehen drauf gehen und ich hoffentlich 8 Stunden schlafe, dann habe ich noch keine echte Begegnung an dem Tag gehabt. Die Zeit die ich online bin, kann ich nicht zur Interaktion mit der echten Welt nutzen. Mit der echten Welt, in der Menschen nicht wie Models aussehen, in der mich nicht jeder anstrahlt und das bestmögliche Leben lebt, in der Welt die sonnig und rau zugleich ist. Über die ich keinen Filter legen kann, wenn es gerade düster ist. Aber dafür ist diese Welt soviel ehrlicher. Denn wir nehmen sie so wahr wie sie ist und nicht so wie sie sein sollte. Wer die Profile in den sozialen Medien rauf und runter scrollt, kriegt Einblicke in die schönsten Lebenswelten überhaupt. Oft sind sie kaum näher an der Realität als ein Hollywood Film. Aber dem User wird was anderes vorgemacht. Und so entsteht die Diskrepanz in ihm oder ihr. Die Netzgemeinde erlebt die Welt voller heiter Sonnenschein und bei mir regnet es seit Tagen am Stück. Wer sich dann fragt, was im Leben schief läuft, weil das eigene Leben bei weitem nicht so viel Glamour hat, bei dem sind Selbstzweifel nicht mehr weit weg.

An dem Punkt hilft eines sehr gut: Rausgehen. Vor der Haustür andere Menschen treffen und ehrliche Gespräche führen. Reale Kontakte stattfinden lassen. Die Welt erleben wie sie ist und sich Feedback von anderen holen. Und siehe da auf einmal gibt es da auch andere, die den gehypten Green Smoothie ebenfalls für untrinkbar befinden, die auch nach drei Yoga-Stunden noch immer keine Leidenschaft entwickelt haben und bei denen der geplante Italien-Urlaub ausfällt, weil der Chef es so will, die Oma krank geworden ist oder die Steuernachzahlung das Budget dafür verschlungen hat. So ist das Leben da draußen. Nicht immer schön, aber immer echt. Geht raus, schaut euch in die Augen, weint zusammen, lacht zusammen.

Zusammen isst es schöner

Prost
Prost

Warum alleine Essen wenn es doch zusammen viel geselliger ist. Weil wir verstreut, fernab von unseren Familien und Liebsten leben und arbeiten. Wir führen Wochenend- und Fernbeziehungen. Wir werden wieder Single. Wir ziehen in eine neue Stadt. Wir machen Geschäftsreisen. Oder wir schwören der Sitzsamkeit gänzlich ab und leben als digitale Nomaden mal hier mal da.
Es bleibt diese wundervolle Erinnerung, an gemeinsame, scheinbar endlose Abende mit Freunden. Wo der Wein nie leer wurde und wo gegen 2 Uhr morgens kalt die Pizzareste verspeist wurden. Erinnerungen an Familienfeste, wo alle an der großen Tafel versammelt waren. Wo die Schalen mit deftigen Leibspeisen über den Tisch gereicht wurden, wo die Jüngsten plärrten, die Alten viel zu lange Reden schwingen wollten, wo so viel Leben am Tisch war. Erinnerungen an diese Sonntage, wo auf dem Balkon mit der Liebsten gefrühstückt wurde. An duftende Croissants, wärmende Sonnenstrahlen und Unmengen Kaffee, um diese wundervolle Zeit nie Enden lassen zu wollen. Zu den schönsten Erinnerungen bedarf es zweierlei: liebe Menschen und etwas gutes zu Essen.

Was geht da gerade in unser Gesellschaft verloren, wenn wir so leben, wie wir leben. Wenn wir so arbeiten, wie wir arbeiten. Und wenn wir uns ernähren, statt gemeinsam zu speisen.