Hingabe

Das Leben ist in einem beständigen Fluss. Leben ist Veränderung. Wir befinden uns in einem ständigen Wechselspiel aus Einatmen und Ausatmen, aus Anspannung und Entspannung, aus Liebe und Traurigkeit, aus Euphorie und Trübsinn. Es ist unlängst bekannt, dass wer intensiv fühlen und leben will, der/die muss mutig sein. Denn Glückseligkeit und am Boden zerstört sind zwei Seiten einer Medaille. Wer wagt gewinnt oder verliert. Die Aussicht zu verlieren schreckt manchmal davor ab das Risiko einzugehen. Ich kann Mittelmäßigkeit anstreben und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ich mit etwas Mittelmäßigem entlohnt werde.

Nothing great was ever achieved without a personal sacrifice.

You have to pay the price to realize your goals.

Lailah Gifty Akita

Es ist nichts Falsches daran nach dem Mittelweg zu streben, solange es mein Ziel ist irgendwo zwischen einem flachen Einatmen und flachen Ausatmen anzukommen, zu mögen statt zu lieben, grummelig statt traurig zu sein, erfreut statt euphorisch und ruhig statt betrübt zu sein. Doch wenn ich wirklich außer Atmen kommen möchte, dann muss ich aus meiner Komfortzone rausgehen. Berge erklimmen, abrutschen und mich wieder fangen. Kurz fallen, den Atmen mir stocken lassen, Panik aufkommen spüren und das Hormongestöber aus Adrenalin und Serotonin durch meine Blutbahnen wahrnehmen. Ich kann mich wieder beruhigen, wenn ich darauf vertraue, dass alles so sein soll. Das das Leben ist. In Balance sein ist schön, wenn ich weiß, wie es außerhalb der Balance aussieht. Wenn ich zuviel und zuwenig kennengelernt habe, erst dann kann ich das ‘genau richtig’ schätzen zu wissen.

Ein Plädoyer für ein Leben nach außerplanmäßigem Plan.

Der Ort an dem Menschen glücklich sind

Es gibt Menschen, die sind schwer von Schicksalsschlägen gezeichnet. Dennoch strahlen sie voller Freude und Lebensmut. Sie lachen viel, lieben ihr Leben, genießen es in vollen Zügen.

Andere Menschen haben augenscheinlich alles was es zu einem guten Leben braucht: Gesundheit, Wohlstand, Ruhm und Anerkennung. Einige von ihnen sind todunglücklich. Einige von ihnen werfen dieses Leben weg, weil sie nicht mehr auf dieser Welt sein wollen.

Warum ist das so? Warum macht etwas so Erstrebenswertes wie Gesundheit, Schönheit, Erfolg, Wohlstand und Ruhm nicht zwangsläufig glücklich? Einer der bekanntesten Glücksforscher ist David M. Buss. In seinen Studien kommt er zu dem Schluss, dass der Mensch vor allem zwei Dinge braucht um glücklich zu sein:

  1. er will verortet sein
  2. er will vernetzt sein

Der Mensch sei dafür gemacht in kleinen festen Gruppen zu leben. So 50 bis 200 Personen wären ideal um ein Gefühl der Sicherheit und  Geborgenheit aufkommen zu lassen. Millionenstädte, rasant voranschreitende Techniken und schier unüberschaubare Informationsströme, überfordern den Menschen. Wenngleich es auch menschengetriebene Entwicklungen sind, die Mehrheit von ihnen ist damit überfordert. Wer es aber schafft, sich die lockeren und engen sozialen Bindungen, die in kleinen Gruppen mit der Zeit wie von selbst entstehen, aufzubauen, der hält einen wertvollen Schlüssel zum Glück in den Händen. Je größer Gruppen werden, desto weniger zählt der Einzelne. Die Vielfalt, welche die Globalisierung mit sich bringt, große Städte voller Angebote, Konzerne mit vielfältigen Karrierechancen, locken mit schier unendlichen Möglichkeiten der Entfaltung. Doch mit der Möglichkeit geht auch die Qual der Wahl einher und das Gefühl etwas noch Besseres zu verpassen, sobald ich mich festlege. Also geht die Suche weiter, nach der lebenswerteren Stadt, dem besserbezahlten Job, dem besseren Partner. 

Je mehr Menschen, desto unbedeutender der Einzelne (Menschenmasse, Anonymität, Allein unter Vielen)
Wenn aus ‘viel’ beliebig wird, wird aus der Wahl die Qual

“Wenn Wohlbefinden davon abhängig ist, tiefe intime Bindungen zu haben und ein wertgeschätztes Mitglied einer Gruppe zu sein, dann sind die Bedingungen des modernen Lebens geradezu prädestiniert dafür, menschliches Glück zu verhindern.”

David Buss, Evolutionspsychologe

Wenn das Glück also nicht in den Superlativen unserer Gesellschaft zu finden ist, wie schaffe ich es mir da eine Schutzhütte zubauen, die mich vor der “besser, höher, weiter” unser Leistungsgesellschaft bewahrt? Die glücklichsten Menschen gehen häufig in die Natur und verbringen viel Zeit mit Familie und Freunden. Rausgehen und soziale Bindungen, klingt einfach, ist es aber nicht. Der berufstätige Großstädter, die Vorstadtpendlerin, der unverortete digitale Nomade, sie alle müssen sich gezielt Orte der Begegnung suchen, kleine Ruhe-Oasen der Erholung und Momente der Achtsamkeit. Denn der Weg zum großen Glück führt über die kleinen Freuden des Alltags. Macht euch auf die Suche. Lernt Nachbarn kennen. Geht an der frischen Luft spazieren. Lächelt der Kassiererin zu. 

500 Freunde und einsam

Entgrenzung, Globalisierung, Nomadentum… die Lebens- und Arbeitswelten von heute sind von zunehmender Mobilität geprägt. Wir genießen die Möglichkeit überall auf dem Globus zu Hause zu sein, Kunden und Geschäftspartner auf der ganzen Welt zu haben und auf jedem Kontinent mindestens ein paar Facebook-Kontakte. Doch ist die Welt wirklich ein zuhause? Sind meine Facebook-Kontakte Freunde? Wer ehrlich mit sich ist, wird zumindest zustimmen, dass er sich dann und wann auf dieser entgrenzten Welt einsam gefühlt hat. Einsam, obwohl er 517 Facebook-Kontakte hat und jeden Tag mehr als 30 Emails bekommt. Wenn ich 8 Stunden am Tag beruflich am Rechner sitze, 2 Stunden privat im Internet surfe, 2 Stunden pro Tag pendle, 1 Stunde esse, 1 Stunde für Duschen und Umziehen drauf gehen und ich hoffentlich 8 Stunden schlafe, dann habe ich noch keine echte Begegnung an dem Tag gehabt. Die Zeit die ich online bin, kann ich nicht zur Interaktion mit der echten Welt nutzen. Mit der echten Welt, in der Menschen nicht wie Models aussehen, in der mich nicht jeder anstrahlt und das bestmögliche Leben lebt, in der Welt die sonnig und rau zugleich ist. Über die ich keinen Filter legen kann, wenn es gerade düster ist. Aber dafür ist diese Welt soviel ehrlicher. Denn wir nehmen sie so wahr wie sie ist und nicht so wie sie sein sollte. Wer die Profile in den sozialen Medien rauf und runter scrollt, kriegt Einblicke in die schönsten Lebenswelten überhaupt. Oft sind sie kaum näher an der Realität als ein Hollywood Film. Aber dem User wird was anderes vorgemacht. Und so entsteht die Diskrepanz in ihm oder ihr. Die Netzgemeinde erlebt die Welt voller heiter Sonnenschein und bei mir regnet es seit Tagen am Stück. Wer sich dann fragt, was im Leben schief läuft, weil das eigene Leben bei weitem nicht so viel Glamour hat, bei dem sind Selbstzweifel nicht mehr weit weg.

An dem Punkt hilft eines sehr gut: Rausgehen. Vor der Haustür andere Menschen treffen und ehrliche Gespräche führen. Reale Kontakte stattfinden lassen. Die Welt erleben wie sie ist und sich Feedback von anderen holen. Und siehe da auf einmal gibt es da auch andere, die den gehypten Green Smoothie ebenfalls für untrinkbar befinden, die auch nach drei Yoga-Stunden noch immer keine Leidenschaft entwickelt haben und bei denen der geplante Italien-Urlaub ausfällt, weil der Chef es so will, die Oma krank geworden ist oder die Steuernachzahlung das Budget dafür verschlungen hat. So ist das Leben da draußen. Nicht immer schön, aber immer echt. Geht raus, schaut euch in die Augen, weint zusammen, lacht zusammen.